Wertlos
Ich sehe keinen Grund darin, noch hier zu sein. Zumindest keinen für die Welt und die Menschen um mich herum.
Warum? Weil ich keinen Wert habe, keine Daseinsberechtigung. Ich komme mit der Art Leben, wie sie nunmal gefordert ist, nicht klar. Ich weiß nicht, was mein Problem ist, aber bei dem Gedanken an ein normales Leben mit Arbeit will ich kotzen.
Die Therapie hat eine Zeit lang geholfen, vor allem in den letzten paar Wochen. Der Therapeut versteht mein Problem und ermutigt mich, meinen eigenen Weg zu gehen. Fast hätte ich geglaubt, dass das sogar klappen könnte. Aber natürlich nicht. Die Welt ist nunmal für normale, soziale und arbeitende Menschen gemacht. Nicht für egoistische und faule wie mich.
Im September habe ich mich von meiner Schule abgemeldet. Ohne einen Plan zu haben, wie es weiter gehen könnte. Es war eine Kurzschlussreaktion, ich habe aus einer Angst heraus gehandelt. Es war dumm, so unheimlich dumm und egoistisch.
Meine Eltern, die mir sowieso schon die ganze Zeit helfen, obwohl ich es nicht verdient hätte, haben mich dennoch unterstützt, irgendwie. Ich habe finanzielle Unterstützung gesucht, um die Zeit bis zum nächsten Arbeitsplatz zu überbrücken. Das hat funktioniert. Und dann heute plötzlich der Bescheid: Ich habe doch keinen Anspruch darauf, die Frist wurde beim Amt falsch berechnet. Jetzt darf ich alles zurückzahlen, muss meine Versicherung irgendwie aufbringen und steh ohne Geld da. Und wer darf das ganze ausbaden? Meine Eltern. Denen liege ich auf der Tasche.
Das Menschenleben ist zum Arbeiten da. Bei dem Gedanken daran, die Hälfte meines Lebens an einem Arbeitsplatz zu verbringen, den ich hasse, möchte ich nicht mehr leben. Ich sehe keinen Sinn. Ich bin einfach zu faul und egoistisch dafür.
Ich habe mich auf mehrere Stellen beworben, aber mich auf Stellen konzentriert, die ich auch wirklich interessant finde. Jobs, bei denen ich nicht beim Gedanken daran schon kotzen möchte. Vielleicht, mit etwas mehr Zeit, hätte das sogar was werden können? Aber so? Natürlich nicht.
Ich verstehe nicht wie andere Menschen das aushalten. Worin sehen sie ihren Lebenssinn? Wie überleben sie es, jeden Tag auf der Arbeit zu versauern? Andererseits kenne ich nur Menschen, die mittlerweile fast vollständig ihre Lebensfreude verloren haben.... Vielleicht ist "überleben" ja das richtige Wort.
Nun muss ich mich auf alles bewerben und alles nehmen, was ich bekommen kann. Beggars can't be Choosers.
Aber ich kann mich dem Gedanken nicht entreißen, dass ich lieber aufhören würde. Aufhören zu existieren.
Ich weiß, es ist egoistisch, meine Familie und Freunde in dieser Situation einfach alleine zu lassen. Aber auf Dauer wäre es besser, stressfreier, günstiger.
sonata lumina am 21. November 18
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Ich Will Nicht
-Auch dies ist ein reiner Ausheul-Beitrag, wer auf sowas, verständlicherweise, keinen Bock hat, einfach weiter klicken. Hier gibt’s nichts Interessantes zu lesen.-
Ich kann nicht mehr.
Ich fühle mich in letzter Zeit so schrecklich. Je näher die Sommerferien kommen, desto tiefer rutsche ich in ein Loch, aus dem ich keinen Ausweg sehen kann.
Eigentlich sollte ich mich freuen. Hurra, Sommerferien! Doch in meinem Fall bedeutet das Ende des Schul-/Ausbildungsjahres für mich, dass ich eine Entscheidung treffen muss.
Soll ich die Ausbildung abbrechen?
Ich hasse diese Ausbildung. Ich bin gerade Mal am Ende des Praktikantenjahres der Erzieherausbildung. Das heißt es stehen noch drei Jahre vor mir bis ich einen Ausbildungsabschluss habe, den ich nicht möchte. Ich möchte nicht Erzieher werden und auch die anderen Möglichkeiten schrecken mich eher ab. Doch ich habe schon mein Abitur und zwei Studiengänge abgebrochen. Seit Jahren plagt mich diese Perspektivenlosigkeit. Was soll ich machen? Wie wird meine Zukunft aussehen? Welcher Beruf kommt in Frage? Ich steigere mich dann in eine Sache oft hinein, bis ich, oft ziemlich schnell, zu dem Entschluss komme, dass das eine ganz blöde Idee war.
„Fotografin? Ja, das wäre cool!“ dachte ich mit 15/16 und machte die Ausbildung in Foto- und Medientechnik. Dann war das doch nichts. Ich habe kein Talent und gerade in der Fotografie muss man raus stechen und gute Qualität vorzeigen können, um sich durchzusetzen, sonst wird das nichts.
„Dann mach‘ ich halt die Fachhochschulreife, mir fällt schon was ein.“ Gesagt getan. Ein Jahr dran gehängt für die Fachhochschulreife. Und dann? Immer noch das gleiche Problem.
„Wenn ich Abitur mache, dann kann ich ja studieren!“ Und damit fing dann die Reihe der schulischen Enttäuschungen an. Meine armen Eltern… Plötzlich bekam ich Angst, zur Schule zu gehen. Völlig unbegründet übrigens, meine Mitschüler und Lehrer waren eigentlich ganz nett. Ich fing an zu schwänzen, fuhr morgens zur Schule und machte dann vor Angst doch kehrt und ging zu einer Freundin. Ich weiß auch nicht, was ich zu der Zeit ohne meine Freunde getan hätte… Irgendwann brach ich ab, es wurde alles zu viel. Ich arbeitete eine Weile in einem Teilzeitjob, den ich als unglaublich anstrengend wahrnahm. Aber irgendwas musste ich ja machen.
„Ich kann ja auf einer Fachhochschule studieren! Informatik? Ja, warum eigentlich nicht?“ Ich zog in meine erste eigene Wohnung. Sie war für eine Studenten-Einzimmerwohnung echt groß, muss ich sagen. Ich glaube, alleine zu wohnen tat mir sehr gut. Ich fühle mich oft unter Druck gesetzt, wenn ich mit anderen Menschen lange an einem Fleck bin, auch bei meiner Familie, so lieb ich sie habe. Jedenfalls ging es mit dem Studium schnell ähnlich zu wie mit der Schule. Aber um es zu verkürzen: Ich entschied mich für einen anderen Studiengang, nachdem ich mich nicht mehr in die Vorlesungen des Informatik-Studienganges getraut hatte, wo es dann allerdings auch nicht besser war. Die meiste Zeit saß ich eigentlich in meiner Wohnung. Selbst das Einkaufen kostete mich große Überwindung. Das Telefonieren mit meinen zwei besten Freundinnen und meiner damaligen Freundin (Fernbeziehung) hielt mich zu der Zeit am leben, glaube ich. Mir ging es wirklich dreckig, ich fing an mich selbst zu verletzen und dachte oft daran, wie schön es wäre wenn mein Leben vorbei wäre.
Auch diese Zeit ging vorbei. Ich beichtete meinen Eltern die Situation (allerdings nicht die ganze Wahrheit, ich erzählte lediglich von den Problemen mit der Angst vom Studium und der „Traurigkeit“)
Sie ließen mich also wieder zu sich ziehen, wofür ich ihnen immer noch sehr, sehr dankbar bin. Ich glaube, nicht viele Eltern hätten das mit gemacht. Meine Mutter half mir, Kontakt zu einer Psychiaterin aufzunehmen. In einem relativ kurzen Evaluationsgespräch hieß es dann „Hört sich ganz so an, als hätten Sie Depressionen. Aber keine Angst, das ist eine der psychischen Krankheiten, gegen die man am meisten machen kann!“ Ich bekam also Antidepressiva. Diese vertrug ich sehr schlecht, das verstand ich allerdings erst im Nachhinein.
Die Nebenwirkungen fingen mit leichtem Herzrasen, vor allem nachts, an. Das war allerdings auch typisch für diese Tabletten und darum dachte ich mir nichts dabei. Nach einer Weile, mit der höheren Dosis, kamen dann komische Zuckungen/“Ticks“ dazu. Gerade beim Laufen zuckte mein Kopf immer wieder zur Seite oder meine Schulter nach oben. Auch das fiel mir auf, es störte mich aber nicht so sehr und ich vergaß es immer wieder, wenn ich im Gespräch mit der Psychiaterin war. Das, was mich allerdings dann echt fertig machte, waren die Halluzinationen, die irgendwann auftraten. Ich erinnere mich nicht mehr an alles, aber ich erinnere mich an das erste Mal. Ich hatte mich gerade ins Bett gelegt und die Augen geschlossen. Kennt ihr das, wenn man manchmal so leichte Farben sieht, wenn man die Augen zu hat? So ungefähr fing es an, nur intensiver. Ich weiß noch, dass ich dachte „das sieht eigentlich ganz schön aus! Kann ich es kontrollieren? Müsste ja meine Vorstellung sein, ich probier es mal!“ So lag ich dann, wahrscheinlich wie jemand auf Droge, da und beobachtete komische Farben im Dunkeln. Allerdings fingen die Farben nach einer Weile an, sich zu einem Auge zu bilden, das mich zu beobachten schien. Ich bekam total Angst und machte das Licht an. In der Nacht hatte ich wirklich große Angst vor der Dunkelheit, weil ich dann sofort anfing Augen um mich herum zu sehen, die mich beobachteten. Ich hatte sogar Angst, zu blinzeln. Farben um mich herum sah ich noch öfter, die Augen kamen manchmal auch zurück. Einmal sah ich nachts eine schwarze Wolke auf mich zukommen, von der ich sicher war, dass es sich um den Tod handelte. Überhaupt dachte ich zur Zeit der Medikation die ganze Zeit, dass ich bald sterben würde. Ich war mir dessen total sicher, hatte auch keine richtige Angst davor, nur ein wenig. Immer wenn jemand was mit mir plante, fügte ich im Kopf hinzu „, wenn ich dann überhaupt noch lebe. Wahrscheinlich nicht.“
Erst als ich mich nicht mehr zur Psychiaterin traute und daher keine Verschreibung für die Medikamente mehr hatte, setzte ich sie ab (ich weiß, dass man das nicht einfach so tun soll). Der Unterschied kam langsam und ich sah die Verbindung zum Medikament nicht.
Erst als ich es später wieder mit dem gleichen Medikament versuchte, weil ich noch eine Packung in meiner Schublade gefunden hatte, und gleich die Farb-Halluzination wieder kam, erkannte ich woran es gelegen hatte.
Nach einigen Monaten, in denen es mir psychisch immer noch schlecht ging (ich schrieb zu dieser Zeit einen Abschiedsbrief und versteckte ihn in meinem Geldbeutel, „nur für den Fall, dass ich es endlich durchziehe“), passierte dann etwas Gutes. Aus irgendeinem Grund überzeigte ich mich selbst, dass es die beste Zeit sei, mir einen Welpen anzuschaffen. Im Nachhinein glaube ich, dass ich das nicht hätte tun sollen, da meine Lebensbedingungen total unpassend waren und ich werfe mir täglich vor, dass mein Hund ein besseres Zuhause verdient hätte. Dennoch liebe ich meinen Hund. Und er hilft mir, damals wie heute. Plötzlich musste ich jeden Tag vor die Tür gehen, wo ich mich zuvor fast 24Stunden am Tag im Zimmer unter meiner Bettdecke in meinem Selbstmitleid verkrochen hab‘. Ich musste Verantwortung übernehmen. Ich war es, die ihn erziehen musste und ich war es, die mitten in der Nacht mit ihm vor die Tür rannte, damit er nicht in die Wohnung machte. Plötzlich war da jemand, der mich brauchte. Ich hatte einen Grund, mir nicht mein Leben zu nehmen.
Wenn es mir besonders schlecht ging, holte ich ihn mit aufs Bett und kuschelte mit ihm. Ich bereute das eine Weile lang, weil er dann, als er groß genug war, von sich aus aufs Bett hüpfte und nicht verstand, wenn ich das nicht wollte. Mittlerweile geht es, ich habe ihn gerne bei mir und er sieht mittlerweile auch ein, dass er nicht immer aufs Bett darf, sondern auch ein sehr bequemes Hundebettchen hat. Bei seiner Erziehung habe ich einiges falsch gemacht, er ist sehr aktiv und hat Schwierigkeiten damit, runterzukommen, da hätte ich ihm schon im Welpen-/Junghundealter helfen sollen. Meine eigene Unruhe und Unsicherheit macht es natürlich nicht besser. Er bellt relativ oft, wobei das mittlerweile auch besser geworden ist. Dennoch sehe ich oft Hunde, die einfach so ruhig sind, egal was passiert, und ärgere mich. Hundeerziehung war mir von Anfang an wichtig, ich hatte sogar eine Zeit lang den Wunsch (eigentlich immernoch), Hundetrainerin zu werden. Gerade deshalb macht es mich so fertig, dass ich mal wieder versagt habe. Aber wir arbeiten daran, der Kleine kann ja nichts dafür.
So, nun die Ausbildung. Ich wollte unbedingt irgendwas machen, was mich weiter bringt. Ich redete mir die Ausbildung gut. Man könne ja so viele verschiedene Berufe mit dem Abschluss machen, da fände ich schon was. Die Psychologie der Kinder ist doch total interessant! Ich muss nicht mehr in meinem Teilzeitjob arbeiten, den ich hasse!
Das ganze musste nach hinten los gehen. Meine Eltern fragten mich damals, ob ich mir denn wirklich sicher damit sei und dass ich diesmal die Ausbildung auch abschließen müsse. Und nun? Ich möchte nicht mit Kindern arbeiten. Ich fühle mich total unwohl, sobald ich im Kindergarten stehe. Ich hasse den Schulanteil, ich hasse es, Klassenkameraden zu haben. Und es ist so anstrengend. Ich war nie ein Mensch, der gerne mittags schläft. Das war für mich Zeitverschwendung. Doch nun habe ich das Gefühl, ich brauche das, sonst schaffe ich es nicht über den Tag. Und immer, wenn ich dann zu Hause bin, habe ich das Gefühl, mir rennt die Zeit weg. Ich zähle die Stunden, bis ich wieder ins Bett muss, weil ich morgens früh raus muss. Die Zeit fühlt sich an wie Sand, der mir durch die Finger rieselt. Und dann kommt dieses Gefühl, eine Mischung aus Trauer, Enttäuschung, Angst, Wut und der nächste Tag scheint mich schon zu erdrücken, wenn ich auf dem Heimweg bin. Jeden Morgen denke ich „Ich will nicht! Oh Gott ich will nicht! Bitte, lass es aufhören!“ und stelle mir jede Möglichkeit vor, damit ich nicht hingehen muss. Ist es schwer, sich einen Knochen selbst zu brechen? Halte ich die Schmerzen aus? Könnte ich mit einem Bein leben? Mit einer Hand?
Das Problem ist, was ist die Alternative? Nochmal ein Jahr Teilzeit arbeiten? Und dann? Ich werde doch mit jeder Ausbildung und jeder Arbeit dieses Problem nur wieder haben. Irgendwie muss ich meinen Hund und mich doch finanzieren? Ich will und kann nicht für immer bei meinen Eltern wohnen. Ich habe solche Angst vor der Zukunft. Ich sehe doch, was Vollzeitarbeit mit den Menschen anrichtet. Meine Eltern haben beide Burnouts, mein Vater war schon in Reha und meine Mutter wird auch bald dorthin geschickt. Meine Mutter ist schon zwei Mal zusammengebrochen, unter anderem weil sie sich so sehr stresst. Wenn sie arbeiten mussten, kommen sie heim und schlafen erst mal. Dann ist gerade noch genug Energie drin um sich ein bisschen auf die Couch oder den PC Stuhl zu setzen, manchmal reicht es noch fürs Kochen oder Wäschewaschen. Für mehr reicht auch die Zeit gar nicht, denn dann müssen sie ja schließlich wieder ins Bett weil am nächsten Tag wieder der gleiche Scheiß ansteht.
Das ist doch kein Leben. Mein Vater meint immer wieder zu mir „Ja, aber weißt du, ich mag meinen Job auch nicht. So ist das halt, du musst dich irgendwie finanzieren, das was du magst kannst du dann in deiner Freizeit machen.“ In welcher Freizeit denn bitte? In den paar Wochen Urlaub, die man im Jahr mal hat? Ich sehe einfach keinen Sinn darin, über die Hälfte meines Lebens bei einem schrecklichen Job sein zu müssen. Dann lohnt sich das Leben für mich nicht. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, bin ich raus.
Darüber denke ich in letzter Zeit öfter nach. Wenn ich merken sollte, dass meine einzige Möglichkeit ein Vollzeitjob ist, dann möchte ich sterben. Mein Hund liebt meine Eltern sowieso, der kommt auch ohne mich klar. Und meine Eltern lieben meinen Hund auch und wollen doch sowieso gernene inen Hund haben. Sie sagen immer wieder, dass sie sich gerne um ihn kümmern und ich weiß dass sie ihm hinterher trauern werden, sollten wir je ausziehen.
Das Problem ist die Situation meiner Eltern. Es geht ihnen beiden nicht gut. Mein Vater beichtete mir vor einer Woche, dass er Angst hat der nächste Zusammenbruch meiner Mutter könnte der letzte sein. Ich weiß was er meint und habe die Sorge auch. Ich weiß nicht, ob sie so einen Schlag verkraften könnte.
Für meine kleine Schwester wäre es auch schwer, aber ich glaube sie hasst mich sowieso, vielleicht kommt sie besser drüber hinweg als ich denke.
Theoretisch wäre es besser für meine Familie. Meine Eltern könnten sich endlich voll auf sich selbst und meine Schwester konzentrieren, hätten mehr Geld zur Verfügung und könnten endlich aus dieser Wohnung wegziehen, das können sie nämlich erst wenn ich ausgezogen bin, oder eben weg.
Auch meinen zwei besten Freundinnen möchte ich das nicht zumuten, denen geht es sowieso schlecht genug, die brauchen nicht noch einen Todesfall, dem sie nachtrauern. Auch wenn es auf Dauer wahrscheinlich besser für sie wäre.
Aber bei der Vorstellung, mein Leben könne später so aussehen, möchte ich nicht mehr leben, so kindisch und verzogen und egoistisch und faul das klingen mag.
Ich will das nicht.
sonata lumina am 10. Juli 18
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Geschichten
-Dies ist ein Ausheul-Post, eine Art anonymer Tagebuch Eintrag... oder so-
Ich glaube, jeder Mensch hat Geschichten, die einem auf irgendeine Weise wichtig sind, dir er/sie aber noch nie einem anderen Menschen, oder zumindest nur sehr wenigen erzählt hat. Sei es, weil sie einem peinlich sind, man die Erinnerung verdrängen will oder aus ganz anderen Gründen. Dies sind ein paar von meinen Geschichten. Die Kindheitsgeschichten sind weniger 'geheim', aber mir dennoch irgendwie wichtig. Warum weiß ich nicht. Andere habe ich noch nie jemandem erzählt und würde sie am liebsten verdrängen... Alles, was sich an wichtigen Geschichten in meinem Leben/meinem Kopf bisher gesammelt hat, kann ich hier natürlich nicht unter einen Eintrag bringen. Vielleicht ein ander mal... vielleicht auch lieber nicht. Naja, dann mal los. Oder so.
Als Kind hatte ich oft schlimme Albträume. Meist träumte ich davon, dass meiner Familie, meinen Freunden und/oder meinen Haustieren etwas passierte und ich niemanden retten konnte. Bis heute ist dies eine Thematik, die in meinen Träumen sehr oft auftaucht: Ich muss irgendwie wegrennen und dabei versuchen, die Menschen (und Tiere) um mich herum zu retten, allerdings immer ohne Erfolg. Ich habe wohl auch oft im Schlaf nach meinen Eltern geschrien, vielleicht ist das bei Kindern aber auch normal. Ich erinnere mich auch gut daran, wie ich nachts von manchen Albträumen wach wurde und solche Angst verspürte, dass ich meine Eltern rufen wollte, aber nichts als ein Kratzen oder Flüstergeräusch aus meinem Mund kam. Ich hatte dann große Panik, konnte mich nicht bewegen, nicht schreien. Ich fühlte mich so hilflos, begann mir vorzustellen, wie jederzeit etwas aus der Dunkelheit kommen und sonst etwas tun könnte, ohne dass ich mich bewegen oder nach Hilfe rufen könnte.
So lag ich wohl einige Minuten im Bett, mir kam es natürlich als Kind wie eine Ewigkeit vor. Ich habe mal von Schlafparalyse gelesen. Vielleicht war es das, kann man dabei noch flüstern? Vielleicht war es auch eine Art Angstzustand. Ich war schon immer ein ängstlicher Mensch gewesen. Aus Angst vor diesen Zuständen hatte ich lange große Angst vor dem Schlafen und vor Dunkelheit gehabt. (Ich sollte mal nach besseren Synonymen für 'Angst' schauen... Vier mal in zwei Sätzen, das hätte meine Deutschlehrer sicherlich nicht gefreut)
Mich würde interessieren, ob viele Kinder damit Probleme haben. Vielleicht ist das ja ganz normal. Ich bin froh, kein Kind mehr zu sein.
Ich habe, vor ein paar Jahren, mal in einem Video den Begriff "Alice in Wonderland Syndrome" gelesen und mir kurz die Definition davon durchgelesen. Plötzlich trafen mich Erinnerungen aus meiner Kindheit wie ein Schlag. Ich hatte einige Male Situationen gehabt, in denen sich der Raum und die Gegenstände, manchmal sogar die Menschen, auf die komischste Weise zu verändern schienen. Manchmal lag ich im Bett und es kam mir vor, als würde mein Bett schweben, der Raum sich vergrößern und die Möbel waren plötzlich alle riesig. Aber auch in der Schule ist es mir einige Male passiert, ich erinnere mich sogar noch sehr gut daran wie das aussah und sich anfühlte. Die Lehrerin schien plötzlich einen riesigen, cartoon-artigen Kopf zu bekommen und einen winzigen Körper, der Raum war plötzlich so lang wie eine Halle (ich saß ziemlich mittig hinten) und meine Mitschüler kamen mir unglaublich weit weg vor. Ich hatte das Gefühl ihre Stimmen nur noch sehr leise und sehr langsam zu hören, als wäre alles in Zeitlupe. Ich weiß nicht, ob ich solche "Wahrnehmungsstörungen" (oder was auch immer das war) auch in anderen Situationen hatte, aber ich hatte sie oft in meinem Bett und manchmal in der Schule, daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich glaube, auch in diesen Situationen versuchte ich manchmal zu schreien und konnte keinen Ton herausbringen. Ich weiß nicht, wann genau mein Gehirn mit diesen "Spielchen" aufhörte, ich weiß nur, dass es nach meiner Grundschulzeit, zumindest so weit ich mich erinnern kann, nicht mehr passiert ist. Vielleicht hatte ich als Kind einfach eine sehr komisch ausgeprägte Kreativität oder so.
Als ich gerade ins Teenager-Alter gekommen war (meine armen Eltern...), war ich mit einer Gruppe Menschen "befreundet", die ich überhaupt nicht leiden konnte. Ich war eigentlich nur mit zwei Mädchen wirklich befreundet, aber sie wollten immer mit den anderen "abhängen" und ich, der ewige Mitläufer, musste ja (widerwillig) mitmachen. Ich hatte Angst vor den anderen. Ich war schon immer eher zurückhaltend gewesen und war sowieso lieber zuhause. Die Frau, die oft auf mich aufpasste, nannte mich immer eine Stubenfliege.
Jedenfalls war ich nun also Teil dieser "Clique" von obercoolen Teenies. Ich hatte da nie so wirklich reingepasst, hatte einfach (noch?) kein Interesse an cooler Kleidung, Rauchen, Trinken und der Hip-Hop-Musik entwickelt, was ja total uncool war. (Vielleicht verdanke ich es diesen Menschen, dass ich nie wirklich an diesen Dingen Interesse entwickelt habe, vielleicht war ich auch einfach nie wirklich der Mensch dafür) Ich war noch eher kindlich, trug keine teuren Hüfthosen mit Muster auf dem Po, sondern schlabbrige Pullis auf denen peinliche Motive von Cartoon-Charakteren abgebildet waren (was ja mittlerweile wieder cool ist), war pferdebegeistert und spielte immernoch gern mit Puppen. Natürlich nur heimlich.
Diese Menschen taten einige Dinge mit denen ich so gar nicht einverstanden war. Eines der Mädchen, vor der ich ganz besondere Angst hatte, redete immer mal wieder davon, andere zu schlagen oder zu verprügeln. Ich schwieg immer, wenn sie dabei war. Die anderen waren nicht viel besser. "Scherzanrufe" bei der Polizei (einige Male sogar mit meinem Handy, allerdings ohne dass ich vorher davon wusste. Unterbrochen habe ich es trotzdem nicht, weil ich dumm bin oder so), Klauen, Trinken, andere Menschen dumm anmachen. Ein Bekannter von ihnen kam ins Jugendgefängnis, warum weiß ich nicht mehr.
Ein mal zündeten sie nachts in einem Heuschuppen einen Feuerwerkskörper an. Ich, meine damalige beste Freundin und ein anderes Mädchen standen daneben und unterhielten uns. Mir war irgendwie nicht so richtig bewusst gewesen, was die anderen da taten. Vielleicht hatten sie es angekündigt, ich wusste zumindest, dass sie Feuerwerk dabei hatten. Aber dass sie nachts, ein paar Tage vor Silvester, damit rumzünseln wollten war mir klar gewesen. Warum mir nicht bewusst war, dass dies in der Nähe eines Heuschuppens total dämlich war, ist mir absolut nicht klar. (Oder war es mir doch bewusst gewesen? Manchmal frage ich mich, ob ich das nicht einfach verdrängt habe. Dumm genug war ich...)
Als unter der Tür ein buntes Licht hervortrat war meine erste Reaktion, zu lachen und zu sagen "Oh. Das sieht ja schön aus. Wie die Tür zum Wunderland." Erst danach war mir so richtig klar, was sie, nein, wir, getan hatten. Ich erinnere mich an den Rest der Nacht nur sehr schwammig, ich glaube sie hatten die Feuerwehr selbst angerufen, als ihnen auffiel, dass ein Heuschuppen LOGISCHERWEISE anfängt zu brennen, wenn man darin einen Feuerwerkskörper anzündet. Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht war auch ich es, die angerufen hat, vielleicht eines der anderen Mädchen. Dann sind die anderen weggerannt. Es kamen immer mehr Leute, um zu sehen, was passiert war. Stand ich dazwischen? Hatte ich mich versteckt? Ich weiß es nicht, erinnere mich nurnoch daran, wie der Feuerwehrwagen um die Ecke bog. Ich schwieg, fühlte mich schrecklich, weil ich nichts dagegen getan hatte. Ich hatte sogar gelacht, obwohl dabei Tiere und Menschen hätten verletzt oder sogar sterben können. Ich versuche oft, diese Erinnerung zu verdrängen. Die Schuldgefühle zerfressen mich heute noch. Zurecht. Die Tatsache, dass ich nie wirklich für diese Aktion zur Rechenschaft gezogen wurde, erscheint mir als total unfair.
Meistens waren wir zu sechst "unterwegs" (meist ja doch immer nur an der gleichen Stelle). Drei Jungs, meine zwei Freundinnen und ich. Die Jungs redeten oft darüber, welche von uns denn die "Schönste" wäre, welche sie eher daten würden, welche sie am meisten "v*geln" wollten. Ich war, natürlich, immer die letzte. Ich hatte weniger Kurven als die anderen beiden und ein unansehnliches Gesicht. Außerdem fingen zu der Zeit meine Haare an, absolut außer Kontrolle zu geraten. Ich habe Naturlocken, wusste aber nie, wie man diese richtig pflegt. Also sah ich immer extrem zerzaust aus. Dies versuchte ich zu bewältigen, in dem ich meine Haare unter einem Kopftuch versteckte oder sie sehr streng in einem Dutt nach hinten band. (Damals waren Dutts übrigens noch nicht in Mode, man trug sie nicht oben auf dem Kopf sindern streng nach unten, was an mir echt doof aussah, vor allem in dem Alter. Ich hatte mir damals gewünscht, dass man sie höher am Kopf tragen konnte ohne dumm angeschaut zu werden, so wie es die Mädchen in den Animeserien trugen, die ich gerne schaute. Nun, da war ich wohl zu früh dran.) Nimmt man dazu noch den kindlichen Kleidungsstil bekommt man das Bild eines unattraktiven Mädchens.
Wie bereits gesagt mochte ich die Jungs nicht grade gerne, ich fand sie ebenfalls sehr unattraktiv und als "V*gel"-Material wollte ich von ihnen auch nicht gerade betrachtet werden. Dennoch tat es weh, ständig zu hören wie hässlich ich sei. "Sorry, aber, du siehst halt aus wie 'ne Vogelscheuche." "Die würd' ich nich mal mit ner Zange anfassen." Nun ja, ich glaub es ist klar, was ich meine.
Aus mir unerfindlichen Gründen kam ich mit einem der Jungen zusammen. Die anderen beiden Mädchen waren mit den anderen beiden Jungs zusammen gekommen, nun war ja nurnoch ich als letzte Wahl übrig. Als er mich fragte, antwortete ich mit "Nein". Ich mochte ihn nicht und war mir sehr sicher, dass er mich auch nicht mochte. Dann wurde auf mich eingeredet. "Gib' ihm doch 'ne Chance man", "Jetzt tut er mir voll leid", "Sei doch nicht so", "Überleg es dir wenigstens". Ich gab nach und sagte, ich würde es mir noch überlegen. Schließlich stimmte ich zu. Vielleicht war es der Gruppenzwang, vielleicht hatte es sich auch einfach gut angefühlt, mir einzureden, dass jemand mich eventuell mögen könnte.
Die Beziehung bestand daraus, sich ab und zu zu umarmen und selten zu küssen, keine Romantik, nichts. Dennoch war ich irgendwie ein bisschen Stolz. Ich, die hässliche Vogelscheuche, war in einer Beziehung!
Er bemängelte immernoch immer wieder mein Aussehen, vor allem meine Haare. Ich gab mir also Mühe, kaufte ein billiges Glätteisen und glättete mir zum ersten Mal die Haare. Leider war "glatt" in meinem Fall genau so zerzaust und verwuschelt wie vorher, nur ohne Locken. Dennoch war ich total begeistert, versuchte das Volumen mit einem Haarreif ein wenig unter Kontrolle zu bringen und stolzierte zum nächsten Treffen der Gruppe. Als er mich sah, machte er große Augen. Noch bevor er mich begrüßte, sagte er:
"Oh mein Gott! Das sieht ja NOCH schlimmer aus! Lass das mal lieber!"
Die anderen lachten. Meine beste Freundin versuchte, mich zu verteidigen. Ich weiß nicht mehr, wie der restliche Tag lief. Ich fing danach wieder an, die Haare in diesem schrecklichen Dutt zu tragen.
Aber ich wollte einfach auch mal hübsch gefunden werden, ob von ihm oder jemand anderem, ich war es so satt, die Hässliche zu sein. Also versuchte ich mich "cool" zu kleiden. Ich kaufte mir ein neues Outfit: Eine schwarze Jacke mit falschem Fellkragen, Hüfthose und ein rotes Oberteil mit ganz wenig Ausschnitt (obwohl es da bei mir wirklich noch nichts zu sehen gab). Als ich die Klamotten anziehen wollte, waren einige Leute aus der Gruppe nicht da, nur mein "Freund" und sein bester Freund. Dennoch wollten die beiden mit mir "rumhängen". Sein bester Freund holte mich zu Hause ab. Er freute sich über meinen neuen Kleidungsstil und auf dem Weg zum Treffpunkt zog er plötzlich den Ausschnitt meines Oberteils mit der Hand weit nach vorne und nach unten, um zu sehen, was ich drunter anhatte. "Aha, ein rosa BH! Oh sorry, du bist mir doch nicht sauer oder?" Ich lachte gezwungen und versicherte ihm, dass ich nicht sauer war. Plötzlich fühlte ich mich in dem Outfit sehr unwohl. War es doch zu viel Ausschnitt? Die Hose zu eng? Mein "Freund" freute sich ebenfalls, als er mich sah. "Endlich machst du was aus dir", hatte er glaube ich gesagt. Wir standen eine Weile rum und redeten, während er seine Hand auf meinem Po hatte. Ich mochte das Gefühl nicht, aber wagte auch nicht etwas dagegen zu sagen. Immerhin sollte ich mich doch eher freuen, dass er mich dafür attraktiv genug fand, oder? Sein 'Kollege' fand das natürlich super, endlich "macht sie nicht mehr einen auf Kindergartenbeziehung", was auch immer das bei 12 oder 13-jährigen heißen soll...
Im Verlauf des Gesprächs fragte er mich, ob er mit der Hand 'unter meine Hose' durfte. Er war nicht aggressiv oder so, ich hätte einfach 'Nein' sagen können, mir ein paar blöde Kommentare anhören und dann mein Leben normal weiterleben können. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich reagierte, ich weiß nur, dass ich sehr unsicher war. Sein 'Bro' fand das total cool, ich solle mich doch nicht so haben, immerhin war ich seine Freundin. (Allein schon, davon zu schreiben fühlt sich einfach irgendwie eklig an. Das ist das Wort, das in mir bei dieser Erinnerung immer wieder aufkommt: Eklig.) Nun, irgendwann stimmte ich zu. Es war nicht schlimm, er berührte mich nicht im Genitalbereich. Aber ich stand da, vor jemand anderem, in dem jungen Alter in dem alles, was mit "Sex" zu tun hat ganz peinlich ist, und ERLAUBTE jemandem, den ich nicht mal wirklich mochte, mich so anzufassen. Ich fand das total widerlich und peinlich, aber vor allem war ich sauer auf mich selbst. Immerhin hatte ich zugestimmt, habe währenddessen auch nichts dagegen gesagt. Was ich bis heute nicht verstehen kann ist, dass mein Hauptgedanke immernoch war "Vielleicht heißt das, dass ich doch nicht so hässlich bin?" Es gab noch andere Situationen mit diesem Jungen, ein Mal führte er meine Hand in seinen Schritt, nur sehr kurz, dann zog ich sie weg. Ich fand das total ekelhaft. Aber wieder hatte ich es nicht auf die Reihe gebracht, 'Nein' zu sagen. Mir ist an sich nichts schlimmes passiert, es hätte so viel schlimmer sein können und ich bin dankbar dafür, dass es nicht so kam. Dennoch kriechen diese Erinnerungen immer wieder zurück an die Oberfläche und lösen dieses schreckliche Ekelgefühl in mir aus, als müsse ich mich gleich übergeben. Mein eigener Körper fühlt sich dann so widerlich an, als wären da immernoch fremde Hände an mir. Ich habe solches Mitleid mit den Menschen, die wirklich sexuell misbraucht wurden. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie schlimm das sein muss.
Was ich bis heute nicht verstehe, ist, warum ich nie 'Nein' gesagt habe bzw sogar verbal mein Einverständnis für etwas gegeben habe, was ich nicht wollte. Warum habe ich nicht einfach gesagt "Ich will das nicht"? Warum war ich überhaupt mit dem Typen zusammen? Warum haben wir überhaupt mit diesen Menschen Zeit verbracht, die ständig unsere Körper kommentierten und bemängelten und dachten, dass es ok ist ständig sexuelle Kommentare über uns zu machen? Warum habe ich zugestimmt? Ich bin einfach selbst schuld. An allem. Schon immer.
Ich glaube, dass es das ist, was mich an meiner eigenen Geschichte so stört. Ich trage immer selbst die Schuld daran. Wenn ich bei anderen über deren Lebensgeschichte lese oder wenn Freunde mir von ihren Erinnerungen erzählen, sind ihnen oft schlimme Dinge passiert und vieles scheint mir so unfair. Natürlich ist es gut, dass mir nichts so schlimmes passiert ist, ich beneide niemanden darum. Aber bei mir scheint alles schlechte immer auf mich selbst zurückzuführen zu sein. Es gab so viele gute Möglichkeiten in meinem Leben, die ich entweder ignoriert habe oder sonst zu unfähig war, sie anzunehmen.
"Why am I like this?"
So und jetzt kann ich nicht mehr.
Liebe Grüße an die Welt,
sonata lumina
sonata lumina am 08. April 18
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